Die Neuauflage der jahrzehntealten Anime-Serie Dororo ist nicht nur eine gelungene, moderne Interpretation, sondern auch eine abenteuerliche Reise durch das alte Japan in Zeichentrickform.
Bis vor letztem Jahr dürfte Dororo nur den wenigsten westlichen Anime-Fans ein Begriff gewesen sein. Das liegt daran, dass die erste Zeichentrickadaption, welche auf der gleichnamigen Manga-Reihe von Osamu Tezuka (“Astro Boy”, “Kimba, der weiße Löwe”) basiert, bereits 1969 in Japan ausgestrahlt wurde, seither allerdings nie in Deutschland erschien. Die alte TV-Serie, die noch in Schwarz-Weiß gedreht war, schaffte lediglich den Sprung in die USA – außerordentliche Bekanntheit erlangte sie dort aber ebenfalls nicht. Um das zu ändern, beschlossen die MAPPA Studios eine Neuauflage von Dororo zu produzieren. Diese ist seit 2019 auf Amazon Prime Video* verfügbar und erzählt die selbe Geschichte, mit leicht veränderten Elementen und einem moderneren Fundament.
Darin geht es um den japanischen Fürsten Daigo, der, um sein Volk in Wohlstand und Sicherheit zu wiegen und damit seine eigene Machtposition im Land ausbauen zu können, ein Pakt mit den Teufelsgöttern schließt. Als Gegenleistung muss er jedoch seinen erstgeborenen Sohn darbieten, welcher demnach wiederum ohne sämtliche Gliedmaßen und Sinnesorgane zur Welt kommt. Von seiner Familie zum Sterben ausgesetzt, wird das Kind von einem fremden Mediziner gerettet und aufgezogen. Dieser stattet ihn mit Prothesen aus und bringt ihm das Kämpfen bei.
Viele Jahre später zieht der außergewöhnliche Junge namens Hyakkimaru los, um die Dämonen zu finden, die ihn seines Körpers beraubt haben. Dabei trifft er zufälligerweise auf das elternlose Kind Dororo, das ihn fortan auf seiner Reise begleitet. Zusammen ziehen die beiden durchs Land und erleben ein spannendes Abenteuer nach dem nächsten, ohne jemals ihr großes Ziel aus den Augen zu verlieren.
Besonders interessant hierbei ist der Schauplatz der Serie: Das mittelalterliche Japan in der Sengoku-Periode. Eine Zeit, zu der beinahe auf der gesamten Insel heftige Kriege geführt wurden, die eine blutige Spur der Verwüstung und des Elends hinterließen. Dies spiegelt sich auch in der Handlung von Dororo wieder, wo die raue Art und die damalige Mentalität der Menschen gut in Szene gesetzt wird – nicht nur erzählerisch, auch visuell. Denn die Serie ist überwiegend düster und grau; farbenfroh nur dann, wenn es einen Grund dafür gibt.
Stilvolles Abenteuer mit atmosphärischer Dynamik
Die Individualität von Dororo liegt allerdings nicht etwa in dem zugegebenermaßen recht häufig in der japanischen Popkultur angewandten Motiv der kriegerischen Samurai oder den epischen Schlachten. Viel eher zeichnet sich die Geschichte durch ihre ruhige Erzählweise aus, die es uns ermöglicht, einen genaueren Einblick in die vorhandenen Charaktere zu bekommen und mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren. So stellt sich beispielsweise später heraus, dass nicht nur Hyakkimaru, sondern auch sein fröhlicher Begleiter Dororo, eine recht traurige Kindheit erlebt hat. Beide Elternteile wurden ihr durch den allgegenwärtigen Krieg und Hunger im Land genommen, für den wiederum Hyakkimarus Vater eine Lösung ersuchen musste. Wie es das Schicksal so will, treffen beide Charaktere einige Jahre später aufeinander.
Dabei ergänzen sich Dororo und Hyakkimaru perfekt. Während letzterer Anfangs weder Sprechen, noch Hören oder Sehen kann, ist sein Begleiter ein aufgewecktes Kind voller Energie, das gerne auch den Redeanteil seines Partners übernimmt und Kontakte mit fremden Menschen knüpft. Hyakkimaru hingegen sorgt, unter anderem mithilfe seiner besonderen Fähigkeit, die Seelen der Menschen sehen zu können und seiner außerordentlichen Schwertkunst dafür, dass sie in keinen Hinterhalt geraten oder von gefährlichen Dämonen überwältigt werden.
Je mehr Folgen vergehen, desto besser lernen wir die Welt der Protagonisten kennen und geraten auch in Berührung mit interessanten Nebenfiguren, die ebenfalls ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen haben. Möglich ist dies durch den episodischen Verlauf der Serie, in dessen Rahmen unseren Helden auf allerlei verschiedene Persönlichkeiten treffen. Der Zuschauer bekommt also relativ viel Abwechslung geboten, verliert aber nie den roten Faden, da die Handlung linear verläuft und regelmäßig auf bedeutsame Ereignisse verweist.
Alles in Einem lässt sich an Dororo nur wenig kritisieren. Zum Ende hin fühlt es sich vielleicht etwas schnell an, was wiederum darin resultiert, dass die sich die Motive einiger Figuren nur schwer nachvollziehen lassen, allerdings umfasste die Serie auch nur 24 Episoden á la 20 Minuten. Ohnehin lag die Stärke des Animes eher in seiner atemberaubenden Atmosphäre und den sich stets weiterentwickelten Charakteren, als in deren tiefgründiger Vergangenheit. Für alle, die an einem untypischen Abenteuer durch das mittelalterliche Japan mit fiktiven Elementen interessiert sind und besonders jene im jungem Erwachsenenalter, ist Dororo eine gelungene Abwechslung im sonst eher monotonen Anime-Strom.
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