Netflix hat sich zu einem der wichtigsten Streaming-Portale für Anime-Fans entwickelt. Einige Serien gibt es sogar nur dort zu sehen.
Fabelwesen und Ungeheuer, Riesenroboter und Sportstars: Auch Streaming-Gigant Netflix hat die vielfältige Welt der Anime-Serien und Filme entdeckt. In der eigens für die gezeichneten Shows entstandenen Kategorie findet ihr seitdem eine wachsende Auswahl an Klassikern und neuen Hits, des vor mehr als 100 Jahren in Japan entstandenen Genres. So populär sind die Animes auch in Deutschland mittlerweile, dass Netflix sich sogar für die ersten Simulcasts, bei denen eine neue Folge oder ein Film gleichzeitig über mehrere Medien übertragen wird, entschieden hat.
Dass damit keine Zeit für Synchronisation bleibt, sondern Serien wie „Komi Can‘t Communicate“ stattdessen in der japanischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt werden, stört die wenigsten Fans. Im Gegenteil, sogar im Kino werden in den meisten Ländern Anime im Original geguckt. Eines der jüngsten Beispiele war „Demon Slayer: Mugen Train“, aber der Trend lässt sich bis zurück zu den ersten Hits von Studio Ghibli und davor zurückverfolgen.
Die Geschichte der Anime selbst ist mehr als 100 Jahre alt. Der als wahrscheinlich erster japanischer Zeichentrickfilm geltende Kurzfilm stammt von 1907 und zeigt einen Matrosen, der etwas auf eine Tafel schreibt, sich dann umdreht und das Publikum begrüßt. Schon wenige Jahre später waren die animierten Kurzstreifen in Japan so beliebt, dass heimische Zeichner es den Filmemachern aus Großbritannien, Frankreich und den USA nachmachten und immer mehr eigene Werke produzierten. Der Anime-Pionier Seitara Kitayama gründete 1921 sein eigenes Studio, und sein „Pfirsichjunge“ war der erste japanische Trickfilm, der ebenfalls im Ausland gezeigt wurde. Im Unterschied zu den westlichen Streifen, legten die Anime-Macher besonderen Wert auf die genaue Darstellung und weniger auf den Fluss in den Bewegungsabläufen. Klassische Sagen und traditioneller japanischer Stil prägten die ersten Anime ebenfalls, weshalb man auch heute noch visuelle und erzählerische Unterschiede zwischen östlichen Anime und westlichen Zeichentrickfilmen erkennen kann.
Der erste Anime in Spielfilmlänge kam 1958 in die japanischen Kinos. „Hakujaden“ wurde sogar bei den internationalen Filmfestspielen von Venedig eingereicht und prompt ausgezeichnet. Als Ergebnis interessierten sich auf einmal Filmbranchen aus aller Welt für die japanischen Kunstwerke. Im Jahr 1961 flimmerte mit „Magic Boy“ der erste Anime in Deutschland auf der Leinwand.
Auch lange vor Netflix und Co. kam es daraufhin in den folgenden Jahren zu fruchtbaren Kooperationen. Serien wie „Pinocchio“, „Wickie und die starken Männer“ und „Die Biene Maja“ mögen als typisch deutsch angesehen werden, entstanden aber unter der Regie von Hiroshi Saito für das ZDF.
Dass mancher Anime aus Japan es mit den bekanntesten Produktionen aus Hollywood aufnehmen kann, beweist seit 1985 das vom „japanischen Walt Disney“ Hayao Miyazaki, gemeinsam mit Isao Takahata und Toshio Suzuki, gegründete Studio Ghibli. Zu den als Meisterwerken geltenden Ghibli-Filmen gehört „Mein Nachbar Totoro“, bei dem der gleichnamige Naturgeist zwei kleinen Mädchen hilft, die mit ihrem Vater in den Wald gezogen sind, während die schwerkranke Mutter im Krankenhaus ist.
„Prinzessin Mononoke“ ist eine Fabel aus der Zeit, in der der Legende nach Götter noch in Tiergestalten auf der Erde lebten. Doch die fortschreitende Zivilisation bedroht die Natur. Als der Schutzgeist des Waldes getötet wird, verflucht er den Krieger, der ihm das Leben nimmt. Dieser sucht eine Möglichkeit, den Fluch zu brechen und trifft Titelheldin Mononoke, die darum kämpft, Mensch und Natur friedlich zu vereinen.
„Chihiros Reise ins Zauberland“ gewann 2003 sogar einen Oscar. In Miyazakis Film lassen sich Chihiros Eltern in einem verlassenen Vergnügungspark von köstlichem Essen verführen und werden daraufhin von der bösen Hexe Yubaba in Schweine verwandelt. Mutig gibt sich das kleine Mädchen in den Dienst der Hexe, um so die verzauberten Eltern zu retten.
Wenn auch die Miayazaki-Kollektion auf Netflix zu den absoluten Höhepunkten für die meisten Anime-Fans gehört, gibt es noch ganz andere, von modernen Zeiten geprägte Anime. Dazu gehört „High Card“, ein neues Multimedia-Werk von „Kakegurui“-Autor Homura Kawamato und seinem Bruder Hikaru Muno. „High Card“, dessen erster Trailer im Oktober 2021 vorgestellt wurde, ist an Poker angelehnt. Genau wie bei den gezeichneten Filmen gibt es auch bei dem intellektuell anspruchsvollen Kartenspiel etliche überraschende Varianten wie diese 10 einzigartigen Pokerspiele mit so ausgefallenen Namen wie Pineapple, Lazy Pineapple, Anaconda und Black Mariah.
Fabelhaft geht es auf Netflix bei „Beastars“ zu, wo Themen wie soziale Ausgrenzung und gesellschaftliche Erwartung behandelt werden. An der Cherryton Academy leben Fleischfresser und Pflanzenfresser friedlich zusammen, bis ein Alpaka gefressen wird und der gutmütige graue Wolf Legoshi automatisch unter Verdacht gerät.
„Death Parade“ spielt in einer Bar, in der Spiele über das weitere Verbleiben von Seelen kürzlich verstorbenen Menschen bestimmt. Doch so einfach ist es nicht, Gut und Böse voneinander zu trennen.
Der Zeitreisekrimi „Die Stadt, in der es mich nicht gibt“ erzählt die Geschichte eines Mangazeichners, der nach dem Mord an seiner Mutter zurück in den Körper seines 10-jährigen Ichs springt und in der Vergangenheit versucht, ein Mädchen davor zu retten, von einem Serienkiller ermordet zu werden. Außer der Anime-Umsetzung gibt es zudem die auf dem gleichen Manga basierende Realserie „Erased” (Live Action).
Die „Fate“-Franchise besteht mittlerweile aus zahlreichen Spielen und Serien, mit einer stetig wachsenden Fangemeinde. „Fate/Zero“ stellt dabei den chronologischen Anfang der Reihe dar, in der Mitglieder von Magierfamilien mit der Hilfe von heraufbeschwörten Heldengeistern an ihrer Seite um den heiligen Gral kämpfen. Die unter der Federführung von Gen Urobuchi gezeichnete Serie gilt als einer der Höhepunkte aus dem „Fate“-Universum und einer der populärsten Anime auf Netflix.
Postapokalyptisch geht es bei „Girls‘ Last Tour“ zu, in der zwei knuddelig gezeichnete Animemädchen auf ihrem modifizierten Kettenfahrrad durch die Überreste der Zivilisation fahren, versuchen, Essen und Treibstoff zu beschaffen, und nebenbei philosophieren. „Rascal Does Not Dream of Bunny Girl Senpai” hat einen kuriosen Titel, beschäftigt sich aber auf durchaus tiefgründige Weise mit dem Erwachsenwerden. Die Teenager bekommen es hier mit dem Übernatürlichen zu tun, weil sich ihre eigenen Ängste auf physische Weise manifestieren – inklusive langsamem Unsichtbarwerden.
„Haikyu!!“ ist einer der erfolgreichsten Sportanime und hat auch in Deutschland zu einem wachsenden Interesse an Volleyball geführt. Die Serie folgt dem recht klein gewachsenen Schüler Shoyo Hinata, der nach einer Sportübertragung nichts mehr ersehnt, als selbst zum Volleyballhelden zu werden. Doch jemand wie Shoyo, der aufgrund seiner mangelnden Größe zunächst einmal im Mädchenteam anfängt, muss sich jeden noch so kleinen Erfolg hart erkämpfen.
„Kakegurui (Das Leben ist ein Spiel)“ beschäftigt sich wie auch „High Card“ mit Glücksspiel, und zwar an einer vom Zocken beherrschten Privatschule, in der eine neue Schülerin das alte Gefüge kräftig aufwirbelt.
Eine Serie, an der sich die Geister scheiden, ist die Live-Action-Neuverfilmung von „Cowboy Bebop“ auf Netflix. Die Original-Animeserie um eine Gruppe von Kopfgeldjägern, die in ihrem Raumschiff in einer futuristischen Western-Welt auf der Jagd nach gesuchten Verbrechern ist, gilt bei vielen Fans als bahnbrechend. Die Live-Action-Version, die von Netflix nach einer Staffel abgesetzt wurde, hat genauso viele Befürworter wie negative Kritiker, denen die tiefgründige Noir-Stimmung der gezeichneten Version fehlt. Da auch bei Anime alles Geschmackssache ist, ob es nun um Fabelwesen, Riesenroboter oder Kopfgeldjäger geht, hat Netflix gleich beide Versionen in sein Programm aufgenommen. Das Genre im Streaming wächst und wächst auch in Deutschland.
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